Grundstückskaufvertrag: Haftungsausschluss bei öffentlichen Äußerungen des Verkäufers



Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 22.04.2016 (Az.: V ZR 23/15) entschieden, dass der in einem Grundstückskaufvertrag vereinbarte umfassende Haftungsausschluss für Sachmängel auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) eines Grundstücks oder des aufstehenden Gebäudes erfasst.

Die Beklagten hatten dem Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 21.10.2008 unter umfassendem Ausschluss der Haftung für Sachmängel ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück verkauft. Das Gebäude war im Jahr 1999/2000 an dem Standort einer ehemaligen Scheune errichtet worden. Dabei wurde in die Außenwand eine vor 1999 in die Scheune eingebaute Rückwand integriert. Die Beklagten hatten das Objekt in einem Internetportal beworben und es u.a. wie folgt beschrieben: „Das massive Architektenhaus wurde 1999/2000 errichtet, bis 2005 ausgebaut.“ Der Kläger verlangte wegen der einbezogenen Altbausubstanz Schadensersatz.

Der BGH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz, dass der Verkäufer seine Haftung auch für das Fehlen von Eigenschaften ausschließen könne, deren Vorhandensein der Käufer nach öffentlichen Äußerungen berechtigterweise erwarten kann. Bei einem Grundstückskaufvertrag könne der Käufer nicht davon ausgehen, dass der allgemeine Haftungsausschluss sich nicht auf diese Eigenschaften beziehe. Der BGH begründet dies insbesondere mit dem Erfordernis der notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrages gemäß § 311b Abs. 1 Satz. 1 BGB. In die zu errichtende Vertragsurkunde seien alle Erklärungen aufzunehmen, die Inhalt der vertraglichen Regelungen werden sollen. Dieser Umstand präge die Auslegung des Vertrages. Die Parteien wollen im Zweifel keinen Vertrag schließen, der wegen Nichtbeurkundung von Regelungen, die zu seinem Inhalt werden sollen, nichtig ist. Daher bilde der vor dem Notar zu beurkundende Entwurf des Kaufvertrages eine Zäsur. Die Parteien könnten nicht davon ausgehen, dass im Vorfeld des Vertrags, etwa bei einer Besichtigung, erteilte Informationen über das Grundstück oder das auf ihm stehende Gebäude zum Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen werden, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt werde. Gleiches gelte bei Eigenschaften, die der Käufer an sich nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könne. Der Verkäufer hafte zwar für Sachmängel, die auf dem Fehlen solcher Eigenschaften beruhen. Dies gelte aber nur unter dem Vorbehalt, dass in der insoweit maßgeblichen notariellen Urkunde nichts anderes vereinbart werde. Denn erst sie ergebe, wofür der Verkäufer letztlich einstehen will.

Nach Auffassung des BGH bedeute ein in die Urkunde aufgenommener uneingeschränkter Haftungsausschluss in aller Regel, dass der Verkäufer es gerade nicht bei der Haftung für die nicht vereinbarten Eigenschaften belassen will, die der Käufer u.a. aufgrund der öffentlichen Äußerungen erwarten könnte. Vielmehr wolle er von der Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung Gebrauch machen und die Haftung für das Fehlen solcher Eigenschaften vollständig ausschließen.

In der Praxis bedeutet das Urteil für den Käufer, dass es sinnvoll sein kann, die wesentlichen Eigenschaften des Kaufobjekts als Garantie oder Zusicherung in den notariellen Kaufvertrag aufnehmen zu lassen. Lassen sich Garantien oder Zusicherungen nicht durchsetzen, sollte der Käufer bezüglich der ihm wichtigen Eigenschaften konkrete Nachfragen stellen. Bei arglistigem Verschweigen des Verkäufers würde der Haftungsausschluss dadurch unwirksam sein. Zudem könnte dann eine Haftung wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung in Betracht kommen. Verkäufer hingegen sollten darauf achten, dass der Haftungsausschluss im Kaufvertrag möglichst genau formuliert wird, um dadurch eine Auslegung zu ihren Ungunsten zu erschweren.

Update: Zur Unwirksamkeit bei arglistigem Verschweigen des Verkäufers und zur vorvertraglichen Pflichtverletzung siehe nunmehr unseren Bericht zu BGH, Urteil vom 19.01.2018 – V ZR 256/16.

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